Was ist jetzt das?! - Ein Rad mit etwas Geschichte. Gebaut vermutlich um 1985 in Nottingham, England, bei einer gewissen Fa. Raleigh. Aus Wasserrohr und drei Reynolds 501 Rohren. Konfektioniert als damals sogenanntes „Rennsportrad“, mit viel gutem Willen ein Vorläufer der heutigen Speedbikes, mit flachem Lenker und sportlichen Komponenten, in diesem Fall auch mit Schutzblechen und Licht. Kam als Modell „Executive“ neu auf den deutschen Markt, dieses graumetallicfarbene Ding sollte es noch ein paar Jährchen mit wechselnder Ausstattung geben.
Ich war damals 16 und sollte mein erstes „Rennrad“ bekommen, und da es nicht zu teuer sein durfte, schlug der lokale Radhändler – so einer, der den Bauern ihre Hollandräder auf Plattdeutsch reparierte, Leute wie meinen Vater aber ab und an in die fensterlose „Rennradkammer“ blicken ließ – vor, dieses Modell zum Rennrad umzurüsten. Den Rahmen gab es in den zwei Größen 60 und 64, und da alle Beteiligten davon ausgingen, dass ich noch wachsen würde, wurde das kleinere Modell bestellt und – nach kurzem Aufenthalt in der plattdütsken Wiäkstatt mit Rennlenker versehen – abgeholt. Das alles war eigentlich ein großer Irrtum, denn später sollte sich herausstellen, dass ich bereits ausgewachsen war, und die Rahmenhöhe in Wirklichkeit 59 cm nach hiesiger Messweise („center-top&ldquo
betrug. Also passte es leidlich, ich fuhr mehr so gestreckt als mit großer Überhöhung.
Jahreszeitbedingt baute ich Schutzbleche und Lichtanlage ab und wieder an, zog 23er Faltreifen auf und ärgerte mich, dass die Felgen für 20er zu breit waren. Die schrecklichen Weinmann-Bremsen mit laaaangen Schenkeln ersetzte ich durch exotische CLB2 aus dem Brügelmannkatalog, ergänzt durch frühe Shimano 600 - Aerohebel. Außerdem fuhr ich mit dem Rad, flache schnelle 30 km-Hausrunden allein, manchmal mit Freunden oder mit dem lokalen Verein. Rennen fielen für mich aus, da ich Angst vor Stürzen und den Folgen hatte, nur bei einem Zeitfahren bin ich mal angetreten und wurde neunter. Da mir das einen achten Rang in der Jahreswertung unseres Kreises einbrachte, wusste ich nun, dass es in meiner Altersklasse höchstens sieben ernsthafte Rennsportler gab... Höhepunkt dieser Zeit war eine Tour in die französische Partnerstadt mit 15 Leuten, 860 km in 5 Tagen, trotz zweier Stürze ein phantastisches Erlebnis. Gegen Ende der Schulzeit versuchte ich mich dann im Triathlon auf der Kurzdistanz, leistete mir neue Laufräder mit 7-fach Ultegra Naben, Wolber Aerofelgen und passender Indexschaltung dazu. Außerdem einen Lenkeraufsatz. Damit war dann auch die Grenze dessen überschritten, was mein Vater verstehen wollte, aber ich war ja nun alt genug und mir war das egal. Eine Solotour von Bayern nach Westfalen und ein Jungmännerurlaub in Südfrankreich waren die letzten größeren Einsätze. Als es mich zum Studieren nach Berlin verschlug, leistete ich mir einen passenderen Rahmen, nahm Schaltung und Laufräder mit und versetzte das Raleigh zurück in einen etwas älteren Zwischenzustand. Es blieb dann in der Garage meiner Eltern, die sich ab und zu ein Laufrad ausliehen, wenn ihre repariert werden mussten.
Nach vielem Hin und Her meinerseits und der wiederentdeckten Liebe zum Radsport, kam ich letztes Jahr auf die Idee, dass es nett sein könnte, in unserem kroatischen Feriendomizil auf ein Rennrad zurückzugreifen. Und so holte ich es im Herbst 2011 mit der Bahn nach Berlin, nahm alles gründlich auseinander, suchte aus dem Konvolut des väterlichen Fahrraderbes zwei taugliche Laufräder aus und baute dies hier auf: Die 600er Schaltung besorgte ich mir passend zu den Bremshebeln, Schalthebel und Umwerfer aus der 105 SC-Serie lagen noch in der Teilekiste, der Lenker wurde vom aktuellen Rennrad übernommen, um dort einem Compactlenker Platz zu machen, der Vorbau adaptiert. Ein turbo-Sattel aus der Erbmasse kam hinzu, die Stütze wurde neu besorgt. Und siehe da – es fährt wieder! Dass es halbwegs passt ist kein Zufall, lediglich die Überhöhung reicht nicht ganz, interessant aber finde ich das Fahrgefühl im Vergleich zu meinen aktuellen Rädern. Bequem ohne Ende, und eine Sänfte fährt man halt nicht im Wiegetritt